Wer alt genug ist, erinnert sich noch an die dunklen Tage, als die Mauern im Osten so hoch waren, dass wir dort keine Sonne sehen konnten. Heute wissen wir ein wenig mehr über die Vielfalt, in unserem Falle der Literatur unserer nahen und immer mehr auch unserer weiter entfernten Nachbarn.
2018 war Rumänien zu Gast auf der Leipziger Buchmesse, jetzt im Herbst ist das weitgehend unbekannte Georgien Gastland in Frankfurt. Unser neues Heft bringt daher signifikante Beispiele aus beiden Ländern.
Steffi Chotiwari-Jünger stellt uns den 1925 erschienen Roman Zuflucht beim neuen Herrn von Michel Dshawachischwili vor, dem wohl bedeutendsten georgischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Der Roman, übersetzt von Steffi Chotiwari-Jünger und Artschil Chotiwari ist rechtzeitig zur Buchmesse im Pop-Verlag erschienen. Die Anregung zu seinem Hauptwerk fand Dshawachischwili in zwei verschiedenen realen Liebesgeschichten mit doppelten Konfliktlagen, einmal in der Durchbrechung von Standesschranken, zum anderen in der uralten und immerwährenden Szenerie alter Ehemann versus junger Liebhaber. Mit Leben erfüllte er das Personal seines Roman durch genaue Beobachtung seiner Umgebung. Mit seinem Roman hatte Dshawachischwili einen bis dahin in Georgien unerhörten Erfolg, schon ein Jahr später erschien die zweite Auflage. Noch heute, heißt es, kennt jeder Georgier dieses Werk. Auf jeden Fall bildet dieser Roman die gesellschaftliche Wirklichkeit auf literarisch subjektive Weise ab. Irma Ratiani und Gaga Lomidse geben einen kurzen, aber präzisen Überblick über die georgische Literatur von den Anfängen bis zu Gegenwart.
Zu Rumänien, Gastland in Leipzig, finden sich einige Texte von Jan Cornelius und Mathias J. Kandler, sowie eine umfang- und kenntnisreiche Darstellung der Kulturleistungen der Deutschen im Übergang von der Vormoderne zur Moderne von George Gutu.
Gedichte des mongolischen Dichters Hadaa Sendoo geben einen Einblick in einen wenig bekannten Bereich der Literaturgeografie.
Von dem polnischen Lyriker Cyprian Kamil Norwid lesen wir aus dem Lyrikband Über die Freiheit des Wortes den XIV. Gesang in der Übersetzung von Peter Gehrisch, der uns mit seinen Anmerkungen zu Schaffen und Bedeutung von Cyprian Kamil Norwid einen tieferen Einblick in dessen Werk gibt.
Von Irmgard Maria Ostermann findet sich ein Auszug aus ihrem soeben im Pop-Verlag erschienenen Roman und von Harald Gröhler eine spannende Story aus dem im selben Verlag erschienenen Kurzgeschichtenband. Gerhard Bauer steuert einen nachdenklich machenden Text bei. Von Rainer Wedler stammen einige kurze Texte, vorangestellt ein kleines Gedenken an Walter Helmut Fritz, den stillen Dichter aus Karlsruhe.
Neue Bücher haben Horst Landau und Margarita Kipréou ins Regal gestellt.
Bawülon wünscht allen ihren Lesern, auch –innen (dies ist der Angst vor Repression geschuldet) viele gemütliche Leseabende im tiefen Sessel bis in die tiefe Nacht hinein.
Rainer Wedler
Es signiert:
• Micheil Dshawachischwili • Steffi Chotiwari-Jünger • Irma Ratiani • Gaga Lomidse • Jan Cornelius • Mathias J. Kandler • George Guţu • Hadaa Sendoo • Cyprian Kamil Norwid • Peter Gehrisch • Irmgard Maria Ostermann • Harald Gröhler • Gerhard Bauer • Rainer Wedler • Horst Landau • Margarita Kipréou •
Editorial / S. 4
Die Welt und ihre Dichter
Frankfurter Buchmesse • 2018 Gastland Georgien
Micheil Dshawachischwili • Zuflucht beim neuen Herrn . Ein Auszug aus dem gleichnamigen Roman . Kap. I-II / S. 7
Steffi Chotiwari-Jünger • Über den georgischen Autor Micheil Dshawachischwili und sein Werk / S. 25
Micheil Dshawachischwili • Zuflucht beim neuen Herrn . Ein Auszug aus dem gleichnamigen Roman . Kap. VI-VII / S. 41
• Eine kurze Einführung in die georgische Literatur •
Irma Ratiani • Die Anfänge des georgischen Buchdrucks / S. 117
Irma Ratiani • Die georgische Literatur im 19. Jahrhundert – ein Teil der literarischen Weltkarte / S. 122
Gaga Lomidse • Georgische Moderne / S. 131
Leipziger Buchmesse 2018 • Gastland Rumänien
Jan Cornelius • Was sind Sie denn für ein Landsmann? . Neues aus Absurdistan oder Reisenotizen aus Rumänien . Prosa / S. 61
Mathias J. Kandler • „Nr. 657. Im Donbass deportiert“ . Erinnerungen an die „Russland-Deportation“ /S. 67
George Guţu • Der rumänische Blick auf deutsche Kulturleistungen in der Epoche des Übergangs von der Vormoderne zur Moderne /S. 76
Hadaa Sendoo • Sieben Gedichte /S. 107
Cyprian Kamil Norwid • Über die Freiheit des Wortes /S. 141
Peter Gehrisch • Fern vom Trivium seiner Epoche . Anmerkungen zu Schaffen und Bedeutung von Cyprian Kamil Norwid /S. 147
Atelier
Irmgard Maria Ostermann • Junger Bambus. Ein Auszug aus dem gleichnamigen Roman / S. 161
Harald Gröhler • Halbtote Rasierer . Prosa /S. 169
Gerhard Bauer • Im Institut . Prosa /S. 181
Rainer Wedler • Miszellanea en miniature . Acht Kurzprosastücke / S. 186
Bücherregal
Horst Landau • Harald Gröhler, In Eile, im Mantel. Neue Stories. / S. 195
Margarita Kipréou • Harald Gröhler, In Eile, im Mantel. Neue Stories. / S. 197