Horst Samson : Vielleicht wollte er fliegen (über: Rolf Bossert, Ich steh auf den Treppen des Winds. Gesammelte Gedichte. Verlag Schöffling & Co, Frankfurt) (Leseprobe)
(…) „Ich schreib mir das Leben/her, schreib mir das Leben weg.“ – so kurz und summarisch fällt Rolf Bosserts zweizeiliges „Selbstporträt“ aus. Kurz wie das Leben des rumäniendeutschen Dichters.
33 Jahre alt ist Rolf Bossert, als er im November 1985, nach etlichen Schikanen durch den Sicherheitsdienst Securitate, im November 1985 aus der Ceausescu-Diktatur ausreisen darf. Wir durchzechen zuvor eine letzte lange Nacht. Sie führt uns im Taxi kreuz und quer durch Bukarest.
Wenige Tage später ist es so weit. Der Abschied hat den Hut auf. Rolf Bossert geht. Mit Frau, zwei Kindern und Typoskripten. Er ist Aussiedler, Einzelgänger. Und er ist Dichter. Mitten drin in der Fremde sitzt er plötzlich, mutterseelenallein, wurzelt nur noch in der Poesie. Das ist ihm, so bleibt zu vermuten, zu wenig. Je länger er darüber nachdenkt. Drei Monate später, in der Nacht vom 16. zum 17. Februar 1986, sitzt er im Aussiedlerheim in Frankfurt am Main bis zum Morgengrauen in der Küche. Gegen 4 Uhr schaut seine Frau Gudrun noch einmal nach ihm, um 6 Uhr ist er nicht mehr da. Aber das Fenster am Ende des Flurs ist offen. Darunter liegt Rolf Bosserts Leiche. Vielleicht wollte er fliegen.(…)
Ursula T. Gibson, „The Blossoms of the Night Bloomimg Cereus“(Leseprobe)
(…) Etwas an dieser Sammlung liest sich fast wie ein Roman, auch wenn die Gedichte keiner formellen Ordnung folgen, oder kategorisiert sind. In der Tat sind sie fast Beispiele einer Unterhaltung zweier guter Freundinnen am Küchentisch bei einer Tasse Kaffee, falls eine dieser Freundinnen eine begabte Geschichtenerzählerin und Dichterin wäre. Ich muss zugeben, dass ich etwas tat, wovon ich anderen Lyriklesern immer abrate:
Ich habe das Buch an einem Stück verschlungen, und habe erst dann zurückgeblättert, um die Gedichte mehrmals langsamer zu lesen.
Wegen der schon erwähnten Abwechslung in Ton und Thema ist für jeden etwas darin. Und wenn sie schon dabei sind, vergessen sie nicht, sich selbst zu beschenken. Dies ist ein Buch, das in jedes Lyrikregal gehört, und es bittet darum, wieder und wieder gelesen zu werden. (…)
Aurora Antonovic Poeticdiversity, Los Angeles